Wann bin ich endlich Künstler?
Ich habe drei Nichten. Die Eine ist schon 10, die Zweite 8 und die Kleinste bald 5. Im Alter von vier bis sechs Jahren scheinen kleine Mädchen gerne mit Buntstiften zu zeichnen. Und sie zeichnen und malen viel. Sie können sich sicherlich vorstellen, wer diese gemalten Bilder dann als Geschenk erhält. Yapp, der liebe Onkel.
Letztens fragte mich die Vierjährige: „Goce, bin ich eine Künstlerin?“ Bevor ich antwortete, musste ich selbst überlegen, was macht einen Künstler zum Künstler und ab wann darf man sich als so einen beschimpfen?
Wollte man in der Vergangenheit (wir sprechen hier von mindestens 100 Jahren) als Künstler anerkannt werden, so bedeutete das, dass man vor allem von einem sozialen Milieu anerkannt wird. In diesem Fall einer der führenden Kunstakademien dieser Welt. Manchmal benötigt der Kunsterschaffer selbst für sich Zeit, um zu erkennen, dass er nun Künstler ist.
Viel, viel später tauchte ein Joseph Beuys auf, der die Idee hatte, dass jeder Mensch ein Künstler ist. Obwohl Beuys dies so nie wirklich gesagt hatte, blieb doch der Wunsch danach bestehen. Daher ist es also fraglich, ob er das selbst wirklich glaubte.
Etwas früher behauptete Marcel Duchamp alles könne Kunst sein und erfand 1917 das Ready-made. Würde man jedoch alles zum Kunst erklären, dann gäbe es vor lauter Kunst keine Kunst mehr. Also merke eins: man muss in einer bestimmten Position sein, um etwas als Kunst zu deklarieren. So geschehen mit Duchamp.
Heut zu Tage leben wir in einem Zeitalter, wo jeder zum Künstler wird. Ob Britney Spears oder Steven Jobs, ein Ballkünstler oder Aktienhändler. Haben Sie das auch schon von sich behauptet? Und die, die als Künstler beschimpft werden, finden nur Aufmerksamkeit, wenn sie mit ihrer Kunst einen Haufen Geld machen können oder sterben.
Sie fragen sich nun, wie meine Antwort auf die Frage meiner Nichte lautete. Ich sagte ihr: „Nur, wenn Du Dich selbst als Eine siehst. Was die Anderen sagen spielt keine Rolle!“
Heute würde ich noch folgendes hinzufügen: „Wenn sie dich dann als Künstlerin akzeptieren, dann lege das Künstlertum sogleich ab. Denn ab sofort ist nur noch deine Kunst wichtig, nicht mehr der Künstler!“