Rückblick 2014 – Wieso unpersönlich werden?

Als ich das erste Mal das Prime Center Berlin im Jahr 2013 aufsuchte, um meine nächste Ausstellung zu verhandeln, stieß ich auf eine Reihe gemalter Porträts des Künstlers Jovan Balov. Balov, ein Landsmann aus Mazedonien, ist bekannt für seine hyperrealistischen, monochromen und überlebensgroßen Porträts von wichtigen Zeitgenossen wie u. a. Karl Friedrich Schinkel, Adolph Friedrich von Menzel und Johann Wolfgang Goethe. Darin fand ich nicht nur tolle Beispiele für das klassische Porträt, sondern auch einen wunderbaren Beweis für das handwerkliche Können des Meisters selbst.


Die nächsten Monate verbrachte ich damit mir ein Konzept zu überlegen, welches ich Anfang 2014 in Berlin präsentierte. Ich brauchte nicht lange nach einer Inspiration zu suchen, denn es lag alles auf der Hand. Ich entschied nicht nur unpersönlich zu werden, sondern auch gleichzeitig zerstörerisch vorzugehen.


Balov’s Bilder provozierten mich zu einer Gegenbewegung. Während das klassische Porträt durch die individuelle Darstellung einer Person gekennzeichnet ist und die persönlichen Merkmale wiedergibt, durften die Besucher meiner Ausstellung genau diese Merkmale des klassischen Porträts vermissen.


Meine Ausführungen waren weder ein Protest gegen das klassische Porträt, noch eine Schmähkritik an die dargestellten Personen, noch weniger eine Kritik an Balov’s Arbeit und seine Kunst. Es war und ist noch immer die antihuministische Haltung in einer Zeit, in der das Individuum Mensch vor lauter individualistischen Taten sich anderer Individuen angleicht. In einer Zeit, in der ein Individuum durch ein anderes Individuum austauschbar ist – ob nun im Job, als guter Bekannter, als Geliebter oder Partner fürs Leben. Wir sind – ob wir wollen oder nicht – alle austauschbar, denn hinter der nächsten Ecke gibt es vermutlich eine bessere Version unseres Individuums.


Wenn Sie sich die hier dargestellten Porträts anschauen, werden Sie sehr schnell feststellen, dass sich die dargestellten Personen durch ein Minimum an Individualismus voneinander unterscheiden. Nehmen wir zum Beispiel die Augen- und Mundpartie eines S. Lucas und ersetzen diese durch die eines Goce Andonoskis –  wem würde da der Unterschied groß auffallen? Das Individuum, das als Darstellung in dem Porträt auftaucht, verkommt zur Nebensache. Indem ich das klassische Porträt zerstöre, erkläre ich das persönliche Bildnis eines jeden Einzelnen zur Nebensache. Die Kulmination dieser Prozedur spiegelt sich letztendlich in das „unpersönliche Selbstporträt“.


Bei dieser Serie ging es mir nicht um die einzelnen Sandkörner. Dieses Mal ging es mir um den ganzen Strand! Ich wollte den Betrachter dazu einladen, sich kritisch und besonders aufmerksam den Zeitgeist zu widmen, seine Mitmenschen bewusst wahrzunehmen und sich selbst zu fragen, was für ein Gefühl es ist, austauschbar zu sein.


Denn der nächste Tausch ist schon in der Planung, weil uns irgendetwas schon wieder nicht passt oder langweilt. Wir können es einfach nicht lassen, unpersönlich zu werden.