Die Brustwarze als Bedrohung – Heuchelei im 21. Jahrhundert
Ende September reiste ich nach Köln und wohnte Tatyana Ponamarevas Eröffnung “FRAUEN ZU VERKAUFEN“ – “WOMEN for $ALE“ in der Galerie Iliev bei. Die Serie der russisch-deutschen Malerin ist eine Exkursion ins feminine 21. Jahrhundert und zeigt Bilder unserer Zeitgenossinnen, insbesondere die zunehmende Selbstdarstellung durch Selfies im Netz (Facebook, Twitter, Instagram) sowie die schamlose Kommerzialisierung der Frau in den einschlägigen Medien.
Zu dem Thema gab es einen spannenden Beitrag von Prof. Dr. Gärtner und eine Performance von drei FEMEN-Aktivistinnen, die jegliche Ausbeutung von Frauen ablehnen und den feministischen Grundtenor der Ausstellung – Frauen sind eben keine Ware – unterstützen. Man muss dazu sagen, alle FEMEN-Aktionen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Aktivistinnen mit ihren nackten Oberkörper und einen Blumenkranz auf dem Kopf auftreten.
Mit dem Smartphone von mir aufgenommene Bilder der Aktion fanden ihren Weg in die oben beschriebenen Medienkanäle, die das zweite Jahrzehnt dieses Jahrhundert zu prägen scheinen. Getreu dem Motto, kehre dein Inneres nach außen, bis der letzte persönliche Moment digital erfasst worden ist, wobei am besten die ganze Welt dem Schauspiel zusehen soll.
Bei diesen Aufnahmen ging es weniger um Schaustellung, vielmehr um die Botschaft, dass auch Kunst politisch motiviert sein kann, aufrütteln soll und zum Nachdenken provoziert. Kunst sollte eben bewegen.
Es dauerte nicht lange und die geposteten Bilder fielen der Instagram-Zensur zum Opfer. Eine unpersönliche E-Mail wies mich darauf hin, ich soll mich doch in Zukunft bitte an die Spielregeln halten, und vor allem keine Bilder posten, „that show nudity or mature content (this includes nude images of children for child safety reasons)“.
Diese Warnung ist in meinen Augen nicht nur lächerlich, sondern auch die größte Heuchelei des 21. Jahrhunderts. Während Männer sich hundertfach, bloß bedeckt mit einem Höschen, halbnackt auf ihren Instagram- und Facebook-Accounts präsentieren und manch andere Erschießungsvideos der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ hochladen, führt eine entblößte Brustwarze bei einer Frau zur einer Verwarnung und zu einem Ausschlusskriterium?
Dieses Vorgehen erinnert durchaus an die Strategie von MTV, einst ein Sender, den man einzuschalten pflegte, wenn man das neueste Video zu einem Song seines Lieblingsmusikers sehen wollte. Einige werden sich daran erinnern. Halbnackte Männer und Videoclips, in dem jemand grundlos in Stücke geschossen oder aufgrund des Geschlechts entwürdigt wird, wurden ohne Probleme in den morgendlichen Stunden gezeigt. Bei Nacktheit einer Frau schrillten jedoch die Alarmglocken!
Ich für meinen Teil sehe eine entblößte Brustwarze einer Frau nicht als Frontalangriff gegen gefestigte Demokratien, der Chaos und Unheil mit sich bringt. Vielmehr ist es eine Quelle des Lebens und der Entwicklung, an der wir als Babys zu nuckeln pflegten, als wir noch gestillt worden sind.
Für Interessierte: Tatyana Ponamareva zeigt ab dem 31. Oktober bis zum 14. November 2014 ihre Werke “FRAUEN ZU VERKAUFEN“ – “WOMEN for $ALE“ in der Galerie 21 in Wiesbaden.